Im Juni 2025 fällte das Bundesverfassungsgericht eine stille, aber bedeutende Entscheidung (1 BvR 1718/24), die viel über die Zukunft digitaler Rechtssysteme und juristischer Rechercheplattformen aussagt.
Im Zentrum des Falls stand ein scheinbar simpler Sachverhalt: Eine Steuerberaterin reichte ihre Klage per Post ein – anstatt über das seit dem 1. Januar 2023 gesetzlich vorgeschriebene besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt). Die Gerichte wiesen ihre Klage aus rein formalen Gründen ab.
Doch der entscheidende Punkt war: Die Beraterin hatte nie Zugang zum beSt. Sie hatte den notwendigen Registrierungsbrief nie erhalten. Und der sogenannte „Fast Lane“-Zugang? Eine freiwillige Option, keine gesetzliche Pflicht.
Das Bundesverfassungsgericht gab ihr Recht – und rückte damit genau jene juristische Komplexität ins Licht, die KI-basierte Systeme schneller, tiefer und rechtssicherer erfassen können als herkömmliche Werkzeuge.
Der Fall: Wenn digitaler Zugang nicht genügt
Die Vorinstanzen – das Finanzgericht und der Bundesfinanzhof – wiesen die Klage vollständig ab. Ihre Begründung: Die Beraterin hätte das beSt nutzen müssen. Der Fokus lag auf formaler Gesetzeskonformität, nicht auf dem tatsächlichen Zugang.
Das Bundesverfassungsgericht jedoch sagte: So einfach ist das nicht.
Es stellte Verletzungen folgender Grundrechte fest:
- Art. 19 Abs. 4 GG – Recht auf effektiven Rechtsschutz
- Art. 103 Abs. 1 GG – Anspruch auf rechtliches Gehör
„Eine Verpflichtung zur Nutzung eines digitalen Zugangswegs kann nur bestehen, wenn dieser funktional zur Verfügung steht.“
– BVerfG, 1 BvR 1718/24
Wo Legal AI ansetzt
Dieser Fall handelt nicht nur von Postversand und Login-Problemen. Er zeigt, wie sich das Rechtssystem an digitale Infrastrukturen anpassen muss – und wie groß die Anforderungen an juristische Fachkräfte dabei werden.
Genau hier setzt unsere Legal-AI-Plattform an.
1. Regulatorische Zeitachsen & Übergangsfristen erkennen
Unsere KI kartiert automatisch das Inkrafttreten digitaler Pflichten (wie beSt) und gleicht diese ab mit:
- Verzögerungen bei der Umsetzung
- Bekanntmachungen von Behörden
- Fallspezifischen Ausnahmen
Im vorliegenden Fall hätte die KI erkannt: Am 1.1.2023 war der Zugang zum beSt nicht flächendeckend garantiert – ein zentraler Punkt, den die Vorinstanzen übersahen.
2. Verfahrensrisiken vorhersagen
Die Plattform analysiert Gesetze, Verfahrensordnungen und Gerichtshinweise, um Risiken bei der Einreichung zu erkennen – abhängig von:
- Übermittlungsart (Post vs. elektronisch)
- Rolle des Einreichenden (Steuerberater, Anwalt, Privatperson)
- Technologischem Stand zum Zeitpunkt der Einreichung
Die Plattform hätte hier ein hohes Risiko einer formalen Zurückweisung erkannt – und empfohlen, vorsorglich auf Art. 19 Abs. 4 GG zu verweisen.
3. Verfassungsrechtliche Relevanz erkennen
Unsere Modelle, trainiert auf BVerfG-Rechtsprechung, erkennen, wann Verfahrensfragen Grundrechtsbezug bekommen – etwa bei:
- Verwehrtem rechtlichen Gehör (Art. 103 GG)
- Verhinderter gerichtlicher Durchsetzung (Art. 19 Abs. 4 GG)
- Unverhältnismäßiger Formalisierung
In Echtzeit hätte unser System vorgeschlagen: „Verfassungsrechtliche Prüfung erwägen – mögliche Kollision zwischen Verfahrensform und Zugangsgerechtigkeit.“
4. Argumentationslinien über Instanzen hinweg nachverfolgen
Unsere KI analysiert, wie sich Argumente durch Instanzen entwickeln (oder verloren gehen), und erkennt:
- Übersehene Entgegnungen
- Nicht berücksichtigte Sachverhalte
- Divergierende Rechtsauslegung
Im vorliegenden Fall hätte sie erkannt: Der BFH ging nicht auf das zentrale Argument ein – dass der Beraterin faktisch kein Zugang zum beSt gewährt wurde. Genau das wurde vor dem BVerfG entscheidend.
Warum das wichtig ist
Dieser Fall ist mehr als eine Warnung zur elektronischen Einreichung. Er ist ein Signal.
Je digitaler Verfahren werden, desto mehr werden formale Fehler zum rechtlichen Brennpunkt. Zugang, Verfügbarkeit und Fairness sind keine bloßen Verwaltungsthemen – sie sind verfassungsrechtlich relevant.
Die juristische Praxis braucht mehr als Schlagwortsuche. Sie braucht Werkzeuge, die Kontext verstehen, Verfahrensrisiken antizipieren und Argumentationslinien über Gerichtsebenen hinweg nachvollziehbar machen.
Daran arbeiten wir.
Fazit
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1718/24) hat nicht nur einen Einzelfall korrigiert. Es hat klargestellt: Digitaler Zugang bedeutet nicht automatisch digitale Gerechtigkeit – nur wenn der Zugang praktisch gewährleistet ist, kann von rechtsstaatlicher Fairness gesprochen werden.
Unsere Plattform sorgt dafür, dass Jurist:innen, Forscher:innen und Compliance-Teams nicht überrascht werden, wenn diese Realität versagt.
Und wenn sie es tut, helfen wir dabei, die passende Rechtsprechung zu finden, das Argument richtig zu formulieren – und das Grundrecht sichtbar zu machen, bevor es das Gericht tun muss.